Kingswood School
Im Alter von 8 Jahren betrat William George Horner zum ersten Mal die Kingswood School, eine schon damals hoch angesehene Schule. Die nächsten sechs Jahre verbrachte er als Schüler an dieser, 1748 von John Wesley persönlich gegründeten Schule, die bis heute existiert und als renommiertes Bildungsinstitut gilt.
Schon damals machte Horner durch seine weit überdurchschnittlichen Fähigkeiten, speziell im Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften, auf sich aufmerksam. Nach sechs Jahren Schulzeit hätte Horner - wie jeder normale Schüler - die Schule verlassen und ins Berufsleben eintreten können. Letzteres tat er auch, allerdings ohne die Schule zu verlassen. Stattdessen blieb er an der Kingswood School und übernahm mit gerade einmal 14 Jahren die Aufgaben eines Hilfslehrers. Fortan unterrichtete er Schüler, die kaum älter waren als er selbst.
In deutschsprachigen Artikeln findet man gelegentlich die Behauptung, Horner sei mit 14 Jahren zum "stellvertretenden Direktor" ernannt worden. Dies ist unzutreffend und dürfte auf eine falsche Übersetzung der Bezeichnung "assistant master" zurück gehen.
Auch die in Internetartikeln auftauchende Angabe, Horner sei nicht mit 14, sondern mit 16 Jahren zum Hilfslehrer ernannt worden, ist falsch. Ursprung dieser fehlerhaften Information ist vermutlich die abgebildete Notiz aus "The history of Kingswood School" (Seite 88). Hier irren die Verfasser, wie man dem offiziellen Schulregister der Kingswood School entnehmen kann: Horner wurde im Jahre 1800 Hilfslehrer an der Kingswood School und vier Jahre später - im Alter von 18 Jahren - sogar Schulleiter.
In den ersten Jahren seiner Unterrichtstätigkeit wurde vor allem seine überdurchschnittliche Begabung auf mathematischem Gebiet deutlich, eine Auseinandersetzung mit der Pädagogik seiner Zeit erfolgte in diesen frühen Jahren wohl noch nicht. Will man der Darstellung der "History of Kingswood School" in diesem Punkt Glauben schenken (Abbildung links), dann hat Horner die damals übliche "Knüppelpädagogik" zunächst unreflektiert übernommen.
Interessant ist allerdings, dass im gleichen Zusammenhang von der Einführung eines "extra year" an der Kingswood School auf Bestreben Horners berichtet wird, ein Wiederholungsjahr für leistungsschwache Schüler. Auch wenn aktuelle Forschungen zu kontroversen Auffassungen über den Sinn und Unsinn des "Sitzenbleibens" gelangen, so ist Horners "extra year" im Kontext der damaligen Pädagogik durchaus als Fortschritt zu sehen. Bezeichnend wiederum ist es, dass das "extra year" von seinen Zeitgenossen nicht als sinnvolle pädagogische Maßnahme, sondern als reine Strafaktion verstanden wurde. Das "extra year" ist symptomatisch für die Wende, die sich im Denken des allmählich zum Pädagogen heran reifenden Horner abzeichnet und letztlich zu einem unüberwindbaren Graben zwischen ihm und seiner Lehrerschaft führte. Ein Zurück auf diesem pädagogischen Weg gab es für Horner nicht mehr, der Weggang aus Kingswood war die unvermeidliche Konsequenz, die er im Jahre 1809 zog. Für Horner war dies keine Niederlage, sondern die Chance, durch Gründung einer eigenen Schule seine pädagogischen Vorstellungen in die Tat umzusetzen.